Rückblick:
Zwei Jahre lang hat Corona die Nachrichten und das Leben beherrscht. Dass ein Krieg dies ändert, haben wohl nur Wenige erwartet. Die Nachkriegsordnung der Welt ist von heute auf morgen obsolet, Krieg, Tod und Leid sind einen gefühlten Steinwurf von uns entfernt. Wir sind erschüttert!
Doch ist es unsere Aufgabe, den Krieg und dessen Folgen auf die Finanzmärkte so sachlich wie möglich zu betrachten. Hierauf wollen wir uns in diesem Schreiben konzentrieren und – um den Umfang in Grenzen zu halten – bedeutende andere Einflussfaktoren wie beispielsweise die mitnichten beendete Corona-Krise dieses Mal weitgehend unbetrachtet lassen.
Die bedeutenden Aktienmärkte haben sich im ersten Quartal allesamt negativ entwickelt. Die europäischen Märkte haben hierbei mehr eingebüßt (DAX minus 9,3%) als beispielsweise der amerikanische S&P500 (minus 4,7% in US-Dollar). Dies ist unter anderem durch die Nähe zum Kriegsgeschehen zu erklären, aber vor allem auch durch die höhere Abhängigkeit von Europa und insbesondere Deutschland von russischen Öl- und Gaslieferungen. Neben steigenden Energiepreisen folgten dem Kriegsgeschehen stark steigende Preise auch anderer Waren, beispielsweise von Getreide. Dieser Effekt traf auf eine bereits Corona-bedingt angespannte Versorgungssituation von Produkten (beispielsweise Computer-Chips) und führte zu einer stark ansteigenden Inflationsrate weltweit.
Der Trend steigender Zinsen, den wir seit Ende vergangenen Jahres beobachten, hat hierdurch an Dynamik stark zugelegt. 10-jährige Bundesanleihen, welche seit Jahren im negativen Bereich rentieren, weisen aktuell eine Rendite von 0,8% auf – etwa ein Prozent mehr als noch vor vier Monaten. Entsprechend sind die Kurse von Anleihen und Anleihefonds unter Druck geraten, der deutsche Rentenindex RexP verlor im ersten Quartal 4,3%. Zahlreiche Zentralbanken, in erster Linie die amerikanische FED, haben ihre Zinspolitik verschärft bzw. einen Kurswechsel früher und stärker als erwartet angekündigt. Das Ziel ist es, die Inflation in den Griff zu bekommen, ohne die Wirtschaft zu sehr zu drosseln – ein schwieriges Unterfangen.
Insbesondere eine Anlageklasse konnte sich dem negativen Markttrend entziehen: die Edelmetalle Silber und Gold konnten zulegen, der Goldpreis stieg um fast 6%.
Insgesamt sind die von uns verwalteten Portfolios vergleichsweise glimpflich durch die ersten drei Monate des Jahres gekommen. Die bestehenden Aktieninvestments haben durch ihre Ausrichtung weniger stark verloren. Im Anleihebereich sind wir nicht so hoch investiert und negative Überraschungen bei den gehaltenen Papieren blieben aus. Edelmetallinvestments hatten durch ihre positive Entwicklung den gewünschten stabilisierenden Effekt.
In Krisenzeiten handeln viele Marktteilnehmer häufig aus Angst zu kurzsichtig und gute Unternehmen sind dadurch zu attraktiven Preisen erwerbbar. Entsprechend haben wir, wo es möglich war, die Aktienquote angehoben. Vorzugsweise in Werten bzw. Branchen, die nach unserer Einschätzung zu stark im Kurs gefallen sind. Auch im Anleihebereich haben wir nach Kaufgelegenheiten Ausschau gehalten.
Ausblick:
Ein kurzfristiger Ausblick ist angesichts dieser Ausnahmesituation kaum möglich. Das (sich auch nur abzeichnende) Ende des Angriffs Russlands auf die Ukraine würde die Angst aus den Märkten entweichen lassen und für eine – zumindest kurzfristige – Erleichterungsrally sorgen. Bis dahin warten wir ab und planen aktuell keine wesentlichen Veränderungen in der Anlagestruktur der durch uns betreuten Portfolios.
Eine Prognose für die Zeit nach dem Krieg ist auch schwer, aber mit Blick auf die Vergangenheit möglich; die Inflation wird ein Thema bleiben und damit auch die steigenden Zinsen, aber die Dynamik wird nachlassen. Der große Preistreiber Energie würde seinen Krisenaufschlag einbüßen und für eine Entlastung sorgen, gleiches darf man von den Agrarpreisen erwarten. Und auch wenn die Preise der genannten Waren nur nicht weiter steigen, entfiele der Preisdruck für die kommenden
Jahren – der „Basiseffekt“ wäre durch einen deutlichen Anstieg in diesem Jahr verkraftet. Dazu werden die Erfahrungen sowie die gestiegenen Rohstoffpreise nicht reaktionslos von der Politik und den Unternehmen hingenommen werden, wie jetzt bereits gut erkennbar ist. Die Politik wird bestehende Alternativen fördern, die Unternehmen nach Innovationen forschen – so wie nach den Ölkrisen im letzten Jahrhundert die chemische Industrie den Anteil von Rohöl in zahlreichen Produkten ersetzen oder deutlich verringern konnte.
Wie auch in der Vergangenheit gibt es am Ende Verlierer, kaum Betroffene und Gewinner in der Wirtschaft. Hiernach haben wir unsere Aktienauswahl ausgerichtet und werden dies auch in Zukunft tun. Steigende Zinsen stören uns hierbei weniger, vielmehr sehen wir auch Chancen für Aktien wie Anleihen in einer schrittweisen Normalisierung des Zinsniveaus. Edelmetalle halten wir derzeit, sehen aber einen Krisenbonus, der sich zurückbilden könnte. In diesen unsicheren Zeiten wollen wir aber eine gewisse Quote beibehalten. Wir sind uns bewusst, dass die derzeit komplexe Gesamtsituation sowie die möglichen Folgen schwerlich auf zwei Seiten vollumfänglich erörtert werden können. Ausgeblendet aus diesem Schreiben, doch selbstverständlich nicht aus unserer Beobachtung, haben wir beispielsweise die stärkere Ausbreitung von Corona in China und die möglichen Auswirkungen auf das Wirtschaftsgeschehen.